Ein Krimi von der Mecklenburgischen Seenplatte
Den Urlaub an der Mecklenburgischen Seenplatte hatte Kommissar Düwelhenke eigentlich ganz anders geplant: Während seine vier Töchter die Gegend mit dem Fahrrad touristisch erkunden, kann er es nicht lassen und unterstützt die lokale Polizei bei ihren Ermittlungen. Denn seit Monaten verübt ein psychopathischer Serientäter rätselhafte Morde und hält zur besten Urlaubszeit ganz Mecklenburg-Vorpommern in Atem.
Die Opfer deponiert er rituell an verschiedenen Sehenswürdigkeiten des Landes, vor allem an Kirchen. Was treibt den kaltblütigen Mörder an? Nach welchem Muster sucht er sich seine Opfer aus?
Als Düwelhenke mit seinen Mädchen das Hexenmuseum in Penzlin besuchen will, stößt der auf den faszinierenden Fall, der ihn nicht mehr loslässt…
Der spannende Krimi spielt in vielen kleinen und großen Orten rundum die Mecklenburgische Seenplatte, so u. a. in Wismar, Rostock, Waren, Röbel, Penzlin, Malchow, Göhren-Lebbin, Meyenburg, Zislow, Poppentin, Ankershagen, Lübz, Satow und Parchim.
Edition Falkenberg, Bremen, August 2019, ISBN 978 3 95494 163 6, 210 Seiten, 12,90 €, Buchhandel oder amazon
Leseprobe Mit einem Knarzen öffnete Hans Rukit die hölzerne Tür. Er und seine Kollegin Sandra Bliefernichtse sahen sich im dämmerigen Licht um. Stille, kein Laut. Die Lampen in der ersten Etage erhellten den Raum nur notdürftig.
„Es ist keiner hier“, stellte Rukit fest. Bliefernichtse hatte vorsorglich eine Taschenlampe aus dem Dienstwagen mitgenommen.
„Ja“, erwidert sie knapp. Die junge Kollegin tat erst seit Kurzem auf dem Polizeihauptrevier in Waren ihren Dienst und dies war ihr erster wirklicher Einsatz. Sie spürte die Aufregung und konzentrierte sich. Bloß alles richtig machen, diese Devise bestimmte ihre Arbeit.
„Gehen wir runter. Aber vorsichtig!“, bestimmte Rukit den Ablauf. „Das wird die Spusi nicht freuen, aber nachschauen müssen wir ja.“ „Mmh.“
Sorgfältig begutachtete Rukit die unebenen Treppenstufen aus Backstein, bevor er auftrat, immer darauf bedacht, möglichst keine Spuren zu vernichten. Unten angekommen sah er sich im Verlies um, in dem zwischen 1336 und 1777 so viel Scheußliches geschehen war. Er betrachtete den eingelassenen Sitz mit den eisernen Halterungen an der Wand. Hier waren unschuldige Menschen mit groben Eisenstangen an Kopf, Füßen und Armen sowie am Bauch festgeklemmt worden. Hinter dieser Konstruktion hatte die Vorstellung gesteckt, dass die Füße der Hexen bei der Befragung den Erdboden nicht berühren durften. Denn der Boden galt als Bereich des Teufels. Rukit erinnerte sich gut an diese Einzelheiten, er war schon mal seinem Freund aus Bremen hier gewesen. Der beschäftigte sich hobbymäßig mit solchen merkwürdigen Dingen. Der Polizist ging in den anderen Raum. Dort stand der Nagelstuhl, im Mittelalter ein gebräuchliches Folterinstrument der Hexenjäger. Rukit entdeckte die tote Frau. Am liebsten hätte er seine Kollegin noch hinausgeschickt, aber sie hatte sich schließlich für die Laufbahn bei der Polizei entschieden. Diesen Anblick musste sie ertragen können, denn sie würde im Laufe der Jahre unglaubliche Brutalität kennen lernen. Bewahren konnte er sie davor ohnehin nicht. Auch er konnte so einige Erlebnisse seiner langen Dienstzeit nicht vergessen und würde manche schrecklichen Bilder in seinem Kopf mit in den Ruhestand nehmen. Also trat er einen Schritt beiseite, sodass Bliefernichtse die Tote sehen konnte. Beim ersten Anblick zuckte sie zusammen. Damit hatte sie nicht gerechnet und blieb wie angewurzelt stehen. Mit tiefen Atemzügen sog sie die kalte Luft ein. Dann drehte sie sich um und hastete die Treppenstufen hinauf. Sie schaffte es gerade noch zur Tür hinaus, dann würgte sie ihr Frühstück hoch.
Routiniert erfasste Rukit das schockierende Bild mit seinem Scannerblick. Die Frau saß auf dem Nagelstuhl. Ihr Kopf hing lose zur Seite. Die verklebten Haare umrahmten ihr erloschenes Gesicht. Verschrammt blickte es unter den dunklen Locken hervor. Die feinen Gesichtszüge wirkten hübsch, aber blutleer. Die Augen waren geschlossen und würden nie wieder Licht sehen. Die spitzen Nägel des Folterstuhls stachen der Toten durch die Sporthose in ihre Schenkel und den verlängerten Rücken. Nur die eisernen Bügel zur Fixierung der Arme, die in vergangenen Jahrhunderte festgerostet waren, standen seitlich ab. Rukit fühlte die Spitzen förmlich in seine Haut stechen. Ihre Sportschuhe hatte sie verloren und die bunten geringelten Socken passten so gar nicht auf die dunkle Metallplatte. Rukit trat zur Leiche, tastete ihren Arm und prüfte. Kalt, kein Puls. Sie war eindeutig tot und der Krankenwagen somit überflüssig. Der Mörder hatte sie unbemerkt in den Keller gebracht. Wie hatte er das geschafft? Wie war er hinein gekommen? Antworten auf diese Fragen zu finden, war nicht seine Aufgabe. Darum würde sich die Kripo kümmern. Noch während er die Leiche betrachtete, zückte er sein Mobiltelefon. Keine Verbindung, ja klar, er befand sich hier im Keller, umgeben von dicken Mauern. Er musste nach oben. Mit dem Telefon in der Hand drehte er sich zur Treppe. Er griff das dünne Treppengeländer, das beim steilen Aufstieg mehr Sicherheit versprach und zog sich die Stufen hinauf. Dabei versuchte er, möglichst keine Spuren zu vernichten, denn der Mörder konnte nur über diese Treppe mit dem Opfer nach unten gelangt sein. Rukit stürmte aus der Tür und auf dem Hof versuchte er ein weiteres Mal zu telefonieren. Sofort hatte er eine Verbindung und es meldete sich Paula Göckeritz, die Telefondienst hatte.
„Polizei Waren.“ „Hallo, Rukit hier. Wir haben eine tote Frau im Hexenkeller in Penzin.“ „Verstanden.“
Schon hatte die schwangere Kommissarin das Gespräch beendet und tippte nacheinander die Telefonnummern der zuständigen Dienststellen, um sie zu benachrichtigen. Für den Weg über die Landstraße nach Penzlin würden die Kollegen aus Waren einige Zeit brauchen. Es waren zwar nur knapp 30 Kilometer, aber die B 192 war immer stark befahren.
Rukit beobachtete seine junge Kollegin Bliefernichtse, wie sie in der herrlichen Sonne mit dem Absperrband hantierte und das Gelände weiträumig absperrte. Er ging zu ihr, vermied es aber, sie auf ihre Unpässlichkeit anzusprechen. Wortlos bückte er sich nach der Rolle und half ihr.